„Es ist höchste Zeit auf den Wasserstoff-Zug aufzuspringen!“, drängte Prof. Arlt. Der nur langsam voranschreitende Netzausbau und die in Deutschland verfügbaren Kapazitäten an erneuerbaren Energiequellen würden dazu führen, dass insbesondere der Süden Deutschlands auch künftig Energie importieren muss. Grüner Wasserstoff, der preisgünstig beispielsweise in den sonnenreichen Regionen Nordafrikas erzeugt wird, spielt hier eine zentrale Rolle. Die Herausforderung ist, diesen auch über weitere Strecken möglichst verlustfrei zu transportieren. Die Lösung könnten sogenannte liquid organic hydrogen carrier (LOHC) sein, in denen der Wasserstoff chemisch gebunden ist. Vielversprechender als LOHC sind Wärmeträgeröle, in denen der gebundene Wasserstoff völlig gefahrlos, ohne Druck und verlustfrei als dieselähnliche Flüssigkeit mit der bestehenden Infrastruktur transportiert, gespeichert und am Ort des Bedarfes wieder freigesetzt werden kann. Der organische Wasserstoffträger selbst wird im Kreislauf geführt und kann mehrere hundertmal wieder mit Wasserstoff beladen werden.
Derzeit werden zahlreiche Anwendungen für LOHC bereits in der Praxis erprobt, beispielsweise in Wasserstofftankstellen, Bussen und Zügen. Für Industrieanwendungen, etwa bei der Herstellung von Grundchemikalien oder CO2-neutralem Stahl, sei ein Preis von circa 2 EUR pro kg Wasserstoff im Vergleich zu derzeit 9,5 EUR pro kg notwendig, was die Dringlichkeit des Imports aus Regionen mit günstiger regenerativer Energie verdeutliche.
Potential in der Nutzung von Wasserstoff sieht auch Dr. Bernhard Langhammer. In seinem Vortrag legte er den Fokus auf die Perspektiven für die chemische Industrie. In seinen Augen eigne sich Wasserstoff auch als Energiespeicher der Zukunft für die klimaneutrale Stromerzeugung. „Die gesamte chemische Industrie in Deutschland hat bereits derzeit einen Anteil von etwa 10 % des deutschen Stromverbrauchs“, so Langhammer. Er gab weiterhin zu Bedenken, dass die Transformation zu einer klimaneutralen Chemie in Deutschland einen deutlich steigenden Strombedarf bedeuten würde. Bis zu 628 TWh Strom würden dann nach Schätzungen einer Studie des Verbands der chemischen Industrie zufolge benötigt werden. Dieser Bedarf müsse durch günstige Energie gedeckt werden, da sonst ein Abwandern der energieintensiven Produktion in Länder mit geringeren Energiekosten drohe.
Langhammer riet deshalb dazu, neben der sehr stromintensiven Produktion von grünem Wasserstoff durch Elektrolyse hierzulande auch alternative Quellen, beispielsweise die Methanpyrolyse, in Betracht zu ziehen und im globalen Wettbewerb auf den Import von grünem Wasserstoff aus Ländern mit geringen Produktionskosten zu setzen. In jedem Fall werden für die Umstellung der chemischen Industrie auf eine klimaneutrale und gleichzeitig global wettbewerbsfähigen Produktion innovative Technologien notwendig sein. Das H2-Reallabor Burghausen/ChemDelta Bavaria mit dem geplanten Wasserstoff-Technikum am Campus Burghausen der TH Rosenheim biete hier hervorragende Chancen und die ideale Plattform, um Wasserstofftechnologien in der Praxis zu erproben und Innovationen voranzutreiben.
Die Veranstaltung ist jederzeit unter https://youtu.be/nxPjDpxhCn8 abrufbar.